Es war ein regnerischer Nachmittag, als Emma mit ihrer Mutter durch die kleinen, verwinkelten Straßen der Stadt schlenderte. Der Himmel war grau, und der Duft von nassem Asphalt mischte sich mit dem verführerischen Geruch von frisch gebrühtem Kaffee und warmen Croissants.
„Mama, können wir uns kurz aufwärmen?“ fragte Emma und zog sanft an der Hand ihrer Mutter.
Ihre Mutter nickte. „Das ist eine gute Idee.“
Sie traten in ein kleines Café mit beschlagenen Fensterscheiben. Die Wände waren mit Regalen voller Bücher gesäumt, und ein alter Plattenspieler spielte leise eine sanfte Melodie. Emma mochte diesen Ort – er fühlte sich an wie eine Umarmung.
Sie suchten sich einen Platz am Fenster und bestellten zwei heiße Schokoladen mit Sahne. Emma beobachtete die Menschen, die draußen unter ihren Regenschirmen vorbeihasteten. Doch dann fiel ihr Blick auf einen älteren Mann, der in der Ecke des Cafés saß. Er hatte einen abgenutzten Mantel an, eine Zeitung vor sich ausgebreitet und eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand.
Emma bemerkte etwas an ihm, das sie nicht genau benennen konnte. Vielleicht war es die Art, wie er den Löffel langsam in seinem Kaffee rührte. Oder die Art, wie er in die Zeitung sah, als würde er zwischen den Zeilen nach etwas suchen.
„Mama, kennst du den Mann da drüben?“ flüsterte sie.
Ihre Mutter warf einen kurzen Blick hinüber und schüttelte den Kopf. „Nein, aber er sieht freundlich aus, findest du nicht?“
Emma nickte. Freundlich – aber auch ein bisschen einsam.
Plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Der Mann sah auf und bemerkte Emma. Für einen Moment sahen sie sich an, dann lächelte er – ein warmes, ehrliches Lächeln.
Ohne nachzudenken, griff Emma in ihre Tasche. Sie hatte noch einen kleinen Keks übrig, den sie eben zum Kakao bekommen hatte. „Darf ich ihm das geben?“ fragte sie leise.
Ihre Mutter nickte. „Wenn du das möchtest.“
Emma stand auf, ging vorsichtig zu dem Mann und hielt ihm den Keks hin. „Hier, für Sie.“
Der Mann blickte sie überrascht an, dann lächelte er noch wärmer als zuvor. „Das ist sehr freundlich von dir. Ich danke dir, kleine Dame.“
Seine Stimme war sanft und warm, als hätte er unendlich viele Geschichten zu erzählen. Er brach den Keks in zwei Hälften und reichte eine zurück. „Und das ist für dich – denn geteilte Freude ist doppelte Freude.“
Emma nahm die Hälfte und setzte sich wieder zu ihrer Mutter. Sie spürte, wie sich ihr Herz warm anfühlte – fast so, als hätte sie gerade etwas sehr Besonderes erlebt.
Der Mann blieb noch eine Weile sitzen, bevor er sich erhob, seine Zeitung zusammenfaltete und aufstand. Bevor er das Café verließ, drehte er sich noch einmal um und zwinkerte Emma zu.
An diesem Tag hatte sich nichts an der Welt verändert. Der Regen fiel immer noch, die Straßen blieben nass, und das Leben lief weiter.
Aber für Emma war alles anders geworden. Denn sie hatte gelernt, dass selbst die kleinste Geste – ein Keks, ein Lächeln, ein Moment des Teilens – jemandem den Tag erhellen kann.
Und manchmal, ganz selten, kann eine einfache Begegnung alles verändern.
🌿☕ Ende.