Manche Orte haben ihre ganz eigene Magie. In der Kurzgeschichte „Die Laterne am Waldrand“ begleiten wir Mila auf einem stillen Spaziergang, der sie mitten ins Herz ihrer schönsten Erinnerungen führt. Eine herzerwärmende Geschichte über Verlust, Liebe und das Licht, das in uns weiterleuchtet – perfekt als emotionale Gute-Nacht-Geschichte für Groß und Klein.
Eine Geschichte über Erinnerungen, Loslassen und das Licht im Herzen.
Am Rand eines kleinen Dorfes, wo die Felder langsam in einen dichten Wald übergingen, stand eine alte Laterne. Niemand wusste mehr so genau, wer sie dort aufgestellt hatte. Sie funktionierte schon lange nicht mehr, leuchtete nie, knarzte im Wind – und doch hatte sie etwas Magisches an sich.
Mila, ein achtjähriges Mädchen mit neugierigen Augen und einer großen Fantasie, ging oft dort entlang. Vor allem in den Herbstmonaten, wenn der Nebel schwer über den Boden kroch und die Welt ein bisschen leiser wurde. Sie mochte diesen stillen Ort.
Eines Tages, kurz nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter, stand Mila wieder vor der Laterne. Ihr Herz war schwer. Sie hielt eine alte Strickmütze in den Händen – Omas Lieblingsmütze – und wusste nicht, wohin mit all den Gefühlen, die in ihr wirbelten wie das Laub auf dem Weg.
Tränen stiegen ihr in die Augen. „Oma, wo bist du jetzt?“ flüsterte sie.
Plötzlich – wie aus dem Nichts – flackerte ein warmes Licht in der Laterne auf. Es war kein elektrisches Licht, kein Feuer, eher ein leuchtender Schimmer, weich und golden wie Sonnenstrahlen durch geschlossene Augenlider.
Mila trat näher.
In dem Licht der Laterne begann sich etwas zu zeigen: Ein Bild. Nein – ein Moment. Sie sah sich selbst, ganz klein, auf Omas Schoß. Sie lachten. Backten Plätzchen. Es duftete nach Zimt. Mila hörte das leise Summen von Omas Stimme.
Sie blinzelte. Das Bild verschwand, das Licht flackerte erneut – und zeigte einen neuen Moment: Oma und Mila im Garten, wie sie Sonnenblumen pflanzten. Mila erinnerte sich plötzlich an den Witz, den Oma dabei gemacht hatte, und sie musste lächeln – trotz der Tränen.
Die Laterne zeigte Erinnerung für Erinnerung. Manche waren klein, unscheinbar – ein Händedruck, ein Lächeln, ein leises „Ich hab dich lieb“. Andere groß und leuchtend wie Lagerfeuerabende oder gemeinsame Urlaube.
Und Mila verstand: Die Laterne zeigte nicht einfach Bilder – sie leuchtete in ihr. Ihre Erinnerungen waren das Licht.
Langsam legte sie die Mütze behutsam an den Fuß der Laterne. „Ich vermisse dich, Oma“, sagte sie leise. „Aber ich trage dein Licht in mir.“
Als sie sich umdrehte und den Heimweg antrat, war es, als hätte jemand ein warmes Pflaster auf ihr Herz gelegt. Der Schmerz war nicht fort – aber er war heller, weicher.
Die Laterne am Waldrand leuchtete noch eine Weile. Nur für sie. Und vielleicht – für all jene, die einen Moment der Erinnerung brauchen.
💫 Schlussgedanke zum Mitnehmen:
Manche Menschen verlassen uns, doch ihr Licht bleibt. In unseren Gedanken, unseren Herzen – und manchmal, wenn wir genau hinsehen, sogar in einer alten Laterne am Waldrand.